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Montag, 22. Juli 2013

Noch eine Grenzerfahrung

Nach stundenlangem Aufenthalt in einem stickigen Internet-Cafe am anderen Ende der Stadt, als ich in schier endlosen Schleifen immer wieder die gleichen Bilder von der Kamera herunterladen musste, weil ich einen falschen Befehl auf der rein spanischen Tastatur gab oder weil schliesslich die Batterie zu Ende war, fiel ich beim Vorbeigehen beinahe wie von selbst in ein China-Restaurant herein, um den Tortillas und Tapas zu entgehen, und fand mich in einem duesteren, aber kuehlen Empfangsbereich, wo jene duerre Chinesin mich mit unergruendlichem Laecheln erwartete, die ich zuvor schon auf den heissen Gehsteigen der Altstadt gesehen hatte. Sie lotste mich an ein Tischchen, und da weder auf Englisch noch auf Spanisch eine Verstaendigung gelang, zog sie mich zur Getraenkevitrine, wo ich wie ein waehlerischer Tourist lange zwischen Bier und klebrigen Limonaden schwankte und mich schliesslich fuer ein Flaeschchen mit der am wenigsten leuchtenden Farbe entschied, was aber auf den Inhalt keinen Einfluss hatte.
In Gebaerdensprache wurde mir nun mitgeteilt, dass ich vom Buffet waehlen konnte - wo ich indes wieder lange herumstand, denn ich konnte nicht nur keine Suppenschale, sondern auch keine Suppe entdecken. Zu der dann gewaehlten Fruehlingsrolle brachte mir die Chefin eingenhaendig ein Schaelchen Essig, den man, wie ich nun lernte, mit dem Loeffelchen daruebertraufelte - was nur ein schlechter Ersatz fuer eine Zitrone war. Es sind schliesslich doch noch zwei, drei Teller geworden, waehrend ich mit immer neu zustroemenden Jugendlichen im Lokal war, zu wie bei uns gedaempfter chinesisch klingen sollender Musik, die Maedchen mit untergeschlagenen Beinen, die Burschen zu immer neuen Pirschgaengen mit dem Teller anstiftend. Losreissen konnte ich mich erst, nachdem ich gebackene Calamari auf den Teller gehaeuft hatte und entdecken musste, dass sie alle mit irgendetwas Suessem gefuellt waren - worauf ich erst den Wink mit dem Essig zu verstehen glaubte. Darauf gab ich den Plan auf, von allem ein wenig zu kosten, und machte mich auf den Heimweg durch die nachmittaeglich bruetende Stadt, in der Gewissheit, dass das spanische Weltreich heute sogar bis China reichte.

Das Verschwinden der Machos

In Spanien sind die Machos verschwunden - bis auf einige Restexemplare in Radfahrertrikots mit Klapperschuhen und Bierglaesern, die in Maennerrunden in den Strassencafes herrschen entlang der Bergstrasse. Denn das Lokal betritt heute die strahlende Dame, in blonder Loewenmaehne oder in schwarzen Locken mit schwarzen grossen Augen, ohnehin jeden Blicks gewiss, waehrend sich hinter ihr ein anscheindend dazugehoeriger Mann hereinschiebt. Sie waehlt den Sitzplatz und bestellt die Getraenke. Ob schliesslich der Herr wenigstens bezahlen durfte, konnte mein wacher Blick nicht mehr feststellen. Die Dame fuehrt die Konversation, zu Tisch ebenso wie nach aussen hin, und angesichts ihrer Pracht haette sich ohnehin niemand etwas anderes gewuenscht.
Als ich das juedische Museum betrat, stand ich an der Kassa einer so vollkommenen spanischen Schoenheit gegenueber, dass ich mich zusammennehmen musste, sie nicht nur anzustarren, sondern auch ein Ticket zu erstehen und mich ueber das Haus so weit wie moeglich belehren zu lassen in selten vornehmen Englisch. Auf ihre Zusicherung, spaeter noch fuer alle Fragen zur Verfuegung zu stehen, waere ich gern zurueckgekommen, aber da sprang ein junger Mann mit nicht minder gepflegtem Englisch ein.

Zwei Ueberbietungsgeschichten

Die Alhambra geht auf eine Festung des 9. Jhts zurueck, aber erst 1238 liess Mohammed Al-Ahmar, Gruender der Nasrisendynastie, eine Palaststadt errichten. Als 1492 die katholischen Koenige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon Granada zurueckeroberten, zerstoerten sie den Palast keineswegs, sondern liessen ihn sogar sorgsam restaurieren. An der Stelle der maurischen Stadtmoschee errichteten sie pompoes zuerst die in gotischem, spaeter im Stil der italienischen Renaissance weitergebaute Kathedrale Santa Maria de la Encarnation als Siegesdokument, und damit zugleich ihre Grabstaette. Erst der habsburgische Carlos I. liess im 16. Jht mitten in die maurische Palastanlage einen Renaissancepalast setzen, den er dennoch nie bewohnte. Zuvor schon hatte er sich ueberreden lassen, in Cordoba in der maerchenhaft schlichten Mezquita eine Kathedrale errichten zu lassen, um auf die beeindruckende Saeulenkonstruktion herabblicken zu koennen. Aber des spaeter zum Kaiser Karl V., Herrscher von Oesterreich, Burgund und Spanien Gekroenten wirkliche Ueberbietungen sind hegemonialer Art, herrschte er doch ueber reiche und selbstbewusste, aber weit auseinander liegende Laender, mit Hilfe der toedlich ausgebeuteten Kolonien in Uebersee. Vielleicht moechte man in ihm den ersten Globalisten sehen. Seine beiden kulturellen Schandtaten hat er jedenfalls bereut. Dass er aber auch mit seinem katholischen Weltreich den Protestantismus nicht ueberbieten konnte, sondern im Augsburger Religionsfrieden 1556 sogar anerkennen musste, graemte ihn so, dass er schliesslich abdankte und den Rest seines Lebens im Kloster zubrachte - bestimmt die sinnvollste Ueberbietung.

Zweite Grenzbegegnung: die Mezquita von Cordoba

Mit grossem Ehrgeiz errichtet, die Moschee mit der an die Heimat Palmyra und den Palmenwald erinnernden Saeulenhalle, wurde sie nach der Rueckeroberung Jahrhunderte spaeter mit einer gotischen Kathedrale erweitert, welche die islamische Baukunst deklassieren sollte. Vor der Moschee stand bereits ein roemischer Tempel und danach eine Kirche.

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Spanische Busgottesdienste

Eine dreistuendige Fahrt von Capillares nach Granada konnte von einem Mann mit einem Gabelstock in schnoddrigem Tonfall mit einer absatzlosen Redelitanei erfuellt werden, zu der, wohl um sie mit Eroeffnungsritualen in Gang zu bringen, anfangs der Busfahrer einzelne Stichworte beibrachte. Immerhin konnte er sich so das spanische Radio Kaernten ersparen, das bei der Herfahrt mit seiner Geschwaetzigkeit den Bus in hoechsten Toenen ausgefuellt hatte.
Als ich mich nach ein oder zwei Stunden verstohlen aus den Rutualbereich ein paar Sitzreihen nach hinten entziehen wollte, geriet ich stattdessen in eine Jugendliturgie, wo ein Maedchen ebenso unbeirrt den tapfer neben ihr harrenden Burschen zuschnatterte, von diesem aber oder den beiden in der Bank davor doesenden Freundinnen nur in grossen Abstaenden mit kurzen Einwuerfen in neue Tonlagen befoerdert wurde.

Nun sitze ich schon zwei Stunden im Bus von Granada nach Cordoba und erlebe eine vierkoepfige Schola in der ersten Reihe, mit einer Hauptkantorin links aussen, gekontert von einer weiteren Saengerin rechts Mitte, und ansonsten werchselnder Besetzung, das war das Erstaunliche. Denn das gemischte Paar, das die strenge und prasselnde Intonation der Kantorin oft abgemildert hatte, stieg bei einer Station aus und wurde durch zwei andere Damen ersetzt, die sogleich ohne erkennbaren Uebergang ihre Sitz- und Gesangrollen einnnahmen. Immerhin hat sich der Zweck des Opferrituals erfuellt, die Reisenden erreichten ansonsten unbeschadet das Ziel.
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