Donnerstag, 25. Juli 2013

Aber jetzt

Die Kathedrale.
Sie thront ueber den darunter liegenden Platz - nicht so wie in Sevilla, wo sie ringsum eingezwaengt ist, oder noch schlimmer in Granada, wo sie eingeschnuert ist von Haeusern, Bars und Kraeuterstaenden, dass ihr die Luft ausgehn muss, oder gar wie in Cordoba, wo sie in die Moschee hineingezwaengt ist und hoechstens noch nach oben Luft bekommt. Also die Kathedrale von Cadiz thront. Aber das ist auch schon alles. Drinnen duester, eine Wuchtigkeit, die nicht zur Geltung kommt, ein Reichtum an den Seitenkapellen, der fad ist, ein glaenzendes Messgeschirr, das sich in der Sakristei absteht. Der riesige silberne Monstranzaufbau hinter eine Eisenbruestung geduckt. Eine kuehle Krypta, mit dem und jenem Toten, aus einem Stein, der keine Atmosphaere gibt. Das ganze Programmheft zaehlt lauter Einzelheiten auf, von denen man nicht weiss, warum sie interessant sein sollen. Es ist so wie die Netze, die oben zwischen den Saeulen verspannt sind, damit sie die Mauerbrocken auffangen, die sich von der Decke loesen: irgendetwas haelt das Ereignis zurueck, es bleibt im Hintergrund wie ein blasser Nebel im Dachgewoelbe. Und draussen, direkt vor den Mamorstufen auf den blanken, weissen Steinboden scheisst ein alter Schaeferhund, ungeduldig an der Leine gehalten von einem kleinen Maedchen, weil er sich nicht zurueckhalten laesst wie diese ganze riesige Kirche, sondern genug Kraft noch hat und Instinkt und Respektlosigkeit, um es zuzulassen, was kommen will und soll.

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Doch dann ging es los.
In diesem kleinen Castillo San Catallina. Ahnungslos betritt man es ueber eine kleine Steinbruecke und steigt durch einen Torbogen in das Fuenfeck dieser Verteidigungsanlage, und zwar ploetzlich auf sandigen Boden. Einige Besucher sitzen auf Baenken im Schatten und mustern den Neuankoemmling. Ein Kirchlein auf der Seite macht neugierig. Ich ducke mich durch den torlosen Eingang: nichts darin. Hereingelegt. Man sieht noch die Stellen am nackten Holzaufbau, wo Bilder hingen und Statuen standen. Ich fuehle andere Besucher im Ruecken und trete rasch zur Seite, durch einen Durchlass wie zur Sakristei, und nochmals hinaus ins Freie. Durch die Schiessscharten in der Mauer erscheint der stadtnahe Badestrand als Ameisengewimmel - ganz angemessen. Hinter einer weiteren unbeschrifteten Oeffnung stehen Tonkruege und Schautafeln, die auf die Gruendung von Cadiz durch die Phoenizier hinweisen. Als ich wieder draussen bin, muss ich das ehemalige Verbreitungsgebiet dieser Mittelmeer-Seefahrer landeinwaerts suchen, denn wir sind am Atlantik. Zurueck am Platz faellt mir jetzt die orientalische Atmosphaere auf, weil im Sand auch Palmen stehen. Hinter einer weriteren Maueroeffnung kommt eine Kunstausstellung zum Vorschein, Schriftzeichen, als graphische Symbole genommen, aber Titel und Kuenstlernamen lese ich erst am anderen Ausgang. Es gibt noch weitere Ausstellungen hinter weiteren Oeffnungen, und jedes Mal ist beim Heraustreten der Blick aufs Meer ein anderer. Das Fuenfeck ist jetzt ein marokkanisches Wuestendorf geworden, in das jeden Augenblick Kamele treten koennen.

Wieder in der Stadt, durchstreife ich nochmals das Gassengewirr am spaeten Nachmittag und bemerke diesmal ausdruecklich die Stille, gerade wenn sie vereinzelt durch leise Radiomusik aus einem offenen Fenster unterbrochen wird, oder von einem lauf pfeifenden Papagei oder Kanarienvogel, wie ich ihn auf der Schulter eines Mannes gesehen habe. Ich ziehe durch enge, ereignislose Gassenschluchten und muss mich bei jeder Kreuzung fragen lassen, was ich eigentlich will. Das ist das Herausfordernde in diesen spanischen Staedten. Der kleinste, vorlaeufigste Plan, nur ein Geschaeft suchen zum Obstkauf, nur eine Pizzeria, nur ein Cafe zum Fruehstuecken, zerfaellt bei der naechsten Kreuzung zu nichts. Denn jede Abzweigung verheisst Unaussprechliches. Eine stille Gasse, und ploetzlich ein lebendiger Platz mit den lustigsten Ereignissen. Ein Schritt auf die Hauptstrasse, doch nur oeder Verkehr und Gestank.
Ich trete also heraus auf einen laenglichen Platz. Ein starker Mann liegt seitlich auf einer Bank, den Kopf auf die sitzende Freundin gestuetzt. Ein alter Mann stakst mit seinem Stock durch die offene Mitte des Platzes, der Blicke aller rundum im Schatten Kauernden gewiss. Von der Platzseite entpuppt sich der von hinten byzantinisch anmutende Bau als Theater. Wie Darsteller eines unbekannten Stuecks wechseln nun Menschengruppen die Plaetze. Wie ein Publikum schauen die Gaeste von der Bar herueber.
Ueber Umwege komme ich wieder zurueck zu dem beschaulichen Platz, der mich schon vorhin so neugierig gemacht hat. Vereinzelte alte Leute sitzen auf der Bank, Kinder spielen, mancher Gast in der Bar schluerft ein Getraenk, denn die Kueche ist noch nicht in Betrieb. Fuer eine weitere Stunde nehme ich dort Platz und beobachte, wie die Szene sich langsam fuellt. Ein Elternpaar hat zu tun, den Sproessling im Kinderwagen bei Laune zu halten, und dann auch noch mit dem Mops, der immerfort wieder aus dem Brunnen zu fischen ist und den ganzen Abend zwischen irgendwelchen Fuessen wieder auftaucht auf dem neuerlichen Weg ins kuehle Nass. Die Kinderschar vervielfacht sich, die Stuehle werden nachund nach besetzt. Aus Haustoren treten Menschen, sich von jemand verabschiedend, andere kehren heim, Begruessungszeremonien am offenen Platz. Es stellt sich heraus, dass alle sich mehr oder weniger gut kennen, es ist eine Nachbarschaft, die nun auftritt. Die Barbesitzer beginnen nun, die Tische zurechtzuruecken, breiten Tuecher darueber, das Kindergeschrei versinkt allmaehlich im ansteigenden Gemurmel, da der Platz sich fuellt. Nur der Brunnen plaetschert waehrendessen unaufhoerlich, ohne dass jemand davon Notiz zu nehmen scheint.

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Es ist mit dem Ereignis so, dass es den Menschen braucht. Seine Entscheidung. Die richtige Entscheidung. Die richtige Abzweigung. Ansonsten bleibt die Zeit stehen, und es wird langweilig. Wiederholungen, Schleifen, Abirrungen. Man muss eine Weile reisen, um das zu begreifen. Jede Stadt hat ihre eigene Logik, in der man sich zurechtfinden muss. In Palermo waren es die Maerkte und Klosterkirchen, in Syrakus die Kurven, in Ragusa die Perspektiven der Mauerfiguren. Hier sind es die Abzweigungen im Gassenlabyrinth. Das Nahen und Schwinden von Ereignissen.

Heute frueh bin ich an der Kathedrale von Sevilla vorbeigegangen am Weg zum Bus. Es war offen, Stundengebet der Domherrn im Chor, mit Orgelbegleitung, was heisst: mit Orgelgesang!

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Mittwoch, 24. Juli 2013

Ein Loblied auf Columbus

Heute ist der Tag, an dem seiner gedacht werden muss: am Gedenktag des heiligen Christophorus, dem Schutzpatron der Seeleute, an dem ich an seinem Sakophag gestanden und ihm gehuldigt habe, da er doch unter Einsatz seines Lebens bis zu Koenigin Isabella vordrang, welche im Krieg mit der letzten Maurenfestung in Granada lag und sich in Santa Fe auf die entscheidende Schlacht vorbereitete, um von ihr die Finanzierung seines Seeabenteuers erwirkte. Das machte sich fuer Spanien mehr als bezahlt, denn er fand, auf der gekruemmten Erdoberflaeche durch Todeszonen nach Indien unterwegs, stattdessen Amerika, welches ihm dazwischenkam.

Der glaenzende Sieg Spaniens und sein dadurch eingeleitetes GOLDENES Zeitalter findet sich seither an allen wichtigen Orten des Landes dokumentiert. Praechtige Kathedralen (diejenige Sevillas ist die drittgroesste der Welt!), die allgegenwaertige siegreiche Mutter Gottes, besonders aber die Bevoelkerung selbst zeugt von diesem Geschichtsverlauf. Denn hatten die Menschen Spaniens bis dahin Vorfahren bei den Berbern, Kelten und Westgoten, Roemern und Juden, so kam nun eine halbe Million Araber dazu, welche im Land blieben und sich taufen liessen, sowie auch Einwanderer aus den eroberten Kolonien Amerikas, und so kann ich in einer Stadt wie Sevilla nicht nur europaeisch aussehenden Menschen ins Gesicht blicken, sondern immer wieder auch Indios. Die Roma erkennt man beinahe nur am Betteln, denn heute steht weder Zelt noch Zirkus mehr da wie zur Zeit der heissbluetigen Carmen, und in der Stierkampfarena gibt es nur zu besonderen Zeiten Kaempfe zu sehen. Viele Grenzen hat Spanien auf solche Weise bereits in sich aufgenommen - aber heute stehen die Zeichen offenbar wieder mehr auf Differenz, und alte Landesgrenzen um Katalonien wie um das Baskenland treten wieder hervor.

Was ich aber bisher noch nicht gesehen habe, sind Zuwanderer in auffaelliger Zahl. Ausser vereinzelten Schwarzafrikanern gehoeren Auslaender nicht zum Stadtbild, sei es, weil Menschen aus dem Magreb nicht auffallen wuerden, oder weil keine Arebeitslosenheere zu sehen sind.

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Montag, 22. Juli 2013

Noch eine Grenzerfahrung

Nach stundenlangem Aufenthalt in einem stickigen Internet-Cafe am anderen Ende der Stadt, als ich in schier endlosen Schleifen immer wieder die gleichen Bilder von der Kamera herunterladen musste, weil ich einen falschen Befehl auf der rein spanischen Tastatur gab oder weil schliesslich die Batterie zu Ende war, fiel ich beim Vorbeigehen beinahe wie von selbst in ein China-Restaurant herein, um den Tortillas und Tapas zu entgehen, und fand mich in einem duesteren, aber kuehlen Empfangsbereich, wo jene duerre Chinesin mich mit unergruendlichem Laecheln erwartete, die ich zuvor schon auf den heissen Gehsteigen der Altstadt gesehen hatte. Sie lotste mich an ein Tischchen, und da weder auf Englisch noch auf Spanisch eine Verstaendigung gelang, zog sie mich zur Getraenkevitrine, wo ich wie ein waehlerischer Tourist lange zwischen Bier und klebrigen Limonaden schwankte und mich schliesslich fuer ein Flaeschchen mit der am wenigsten leuchtenden Farbe entschied, was aber auf den Inhalt keinen Einfluss hatte.
In Gebaerdensprache wurde mir nun mitgeteilt, dass ich vom Buffet waehlen konnte - wo ich indes wieder lange herumstand, denn ich konnte nicht nur keine Suppenschale, sondern auch keine Suppe entdecken. Zu der dann gewaehlten Fruehlingsrolle brachte mir die Chefin eingenhaendig ein Schaelchen Essig, den man, wie ich nun lernte, mit dem Loeffelchen daruebertraufelte - was nur ein schlechter Ersatz fuer eine Zitrone war. Es sind schliesslich doch noch zwei, drei Teller geworden, waehrend ich mit immer neu zustroemenden Jugendlichen im Lokal war, zu wie bei uns gedaempfter chinesisch klingen sollender Musik, die Maedchen mit untergeschlagenen Beinen, die Burschen zu immer neuen Pirschgaengen mit dem Teller anstiftend. Losreissen konnte ich mich erst, nachdem ich gebackene Calamari auf den Teller gehaeuft hatte und entdecken musste, dass sie alle mit irgendetwas Suessem gefuellt waren - worauf ich erst den Wink mit dem Essig zu verstehen glaubte. Darauf gab ich den Plan auf, von allem ein wenig zu kosten, und machte mich auf den Heimweg durch die nachmittaeglich bruetende Stadt, in der Gewissheit, dass das spanische Weltreich heute sogar bis China reichte.

Das Verschwinden der Machos

In Spanien sind die Machos verschwunden - bis auf einige Restexemplare in Radfahrertrikots mit Klapperschuhen und Bierglaesern, die in Maennerrunden in den Strassencafes herrschen entlang der Bergstrasse. Denn das Lokal betritt heute die strahlende Dame, in blonder Loewenmaehne oder in schwarzen Locken mit schwarzen grossen Augen, ohnehin jeden Blicks gewiss, waehrend sich hinter ihr ein anscheindend dazugehoeriger Mann hereinschiebt. Sie waehlt den Sitzplatz und bestellt die Getraenke. Ob schliesslich der Herr wenigstens bezahlen durfte, konnte mein wacher Blick nicht mehr feststellen. Die Dame fuehrt die Konversation, zu Tisch ebenso wie nach aussen hin, und angesichts ihrer Pracht haette sich ohnehin niemand etwas anderes gewuenscht.
Als ich das juedische Museum betrat, stand ich an der Kassa einer so vollkommenen spanischen Schoenheit gegenueber, dass ich mich zusammennehmen musste, sie nicht nur anzustarren, sondern auch ein Ticket zu erstehen und mich ueber das Haus so weit wie moeglich belehren zu lassen in selten vornehmen Englisch. Auf ihre Zusicherung, spaeter noch fuer alle Fragen zur Verfuegung zu stehen, waere ich gern zurueckgekommen, aber da sprang ein junger Mann mit nicht minder gepflegtem Englisch ein.

Zwei Ueberbietungsgeschichten

Die Alhambra geht auf eine Festung des 9. Jhts zurueck, aber erst 1238 liess Mohammed Al-Ahmar, Gruender der Nasrisendynastie, eine Palaststadt errichten. Als 1492 die katholischen Koenige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon Granada zurueckeroberten, zerstoerten sie den Palast keineswegs, sondern liessen ihn sogar sorgsam restaurieren. An der Stelle der maurischen Stadtmoschee errichteten sie pompoes zuerst die in gotischem, spaeter im Stil der italienischen Renaissance weitergebaute Kathedrale Santa Maria de la Encarnation als Siegesdokument, und damit zugleich ihre Grabstaette. Erst der habsburgische Carlos I. liess im 16. Jht mitten in die maurische Palastanlage einen Renaissancepalast setzen, den er dennoch nie bewohnte. Zuvor schon hatte er sich ueberreden lassen, in Cordoba in der maerchenhaft schlichten Mezquita eine Kathedrale errichten zu lassen, um auf die beeindruckende Saeulenkonstruktion herabblicken zu koennen. Aber des spaeter zum Kaiser Karl V., Herrscher von Oesterreich, Burgund und Spanien Gekroenten wirkliche Ueberbietungen sind hegemonialer Art, herrschte er doch ueber reiche und selbstbewusste, aber weit auseinander liegende Laender, mit Hilfe der toedlich ausgebeuteten Kolonien in Uebersee. Vielleicht moechte man in ihm den ersten Globalisten sehen. Seine beiden kulturellen Schandtaten hat er jedenfalls bereut. Dass er aber auch mit seinem katholischen Weltreich den Protestantismus nicht ueberbieten konnte, sondern im Augsburger Religionsfrieden 1556 sogar anerkennen musste, graemte ihn so, dass er schliesslich abdankte und den Rest seines Lebens im Kloster zubrachte - bestimmt die sinnvollste Ueberbietung.

Zweite Grenzbegegnung: die Mezquita von Cordoba

Mit grossem Ehrgeiz errichtet, die Moschee mit der an die Heimat Palmyra und den Palmenwald erinnernden Saeulenhalle, wurde sie nach der Rueckeroberung Jahrhunderte spaeter mit einer gotischen Kathedrale erweitert, welche die islamische Baukunst deklassieren sollte. Vor der Moschee stand bereits ein roemischer Tempel und danach eine Kirche.

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Spanische Busgottesdienste

Eine dreistuendige Fahrt von Capillares nach Granada konnte von einem Mann mit einem Gabelstock in schnoddrigem Tonfall mit einer absatzlosen Redelitanei erfuellt werden, zu der, wohl um sie mit Eroeffnungsritualen in Gang zu bringen, anfangs der Busfahrer einzelne Stichworte beibrachte. Immerhin konnte er sich so das spanische Radio Kaernten ersparen, das bei der Herfahrt mit seiner Geschwaetzigkeit den Bus in hoechsten Toenen ausgefuellt hatte.
Als ich mich nach ein oder zwei Stunden verstohlen aus den Rutualbereich ein paar Sitzreihen nach hinten entziehen wollte, geriet ich stattdessen in eine Jugendliturgie, wo ein Maedchen ebenso unbeirrt den tapfer neben ihr harrenden Burschen zuschnatterte, von diesem aber oder den beiden in der Bank davor doesenden Freundinnen nur in grossen Abstaenden mit kurzen Einwuerfen in neue Tonlagen befoerdert wurde.

Nun sitze ich schon zwei Stunden im Bus von Granada nach Cordoba und erlebe eine vierkoepfige Schola in der ersten Reihe, mit einer Hauptkantorin links aussen, gekontert von einer weiteren Saengerin rechts Mitte, und ansonsten werchselnder Besetzung, das war das Erstaunliche. Denn das gemischte Paar, das die strenge und prasselnde Intonation der Kantorin oft abgemildert hatte, stieg bei einer Station aus und wurde durch zwei andere Damen ersetzt, die sogleich ohne erkennbaren Uebergang ihre Sitz- und Gesangrollen einnnahmen. Immerhin hat sich der Zweck des Opferrituals erfuellt, die Reisenden erreichten ansonsten unbeschadet das Ziel.

Nichtgehoerte und nichtgehaltene Sonntagspredigt

Eine Frau namens Martha nahm ihn freundlich auf.
Jemand aufnehmen.
Man muss in der Lage sein, jemand aufzunehmen.
Ein grosses Haus, eine gesichterte Existenz.
Ruhe, Zeit, Interesse und Neugier fuer Fremde.
Wie Abraham?
Der kam selbst als Fremder ins Land, liess sich am palaestinensischen Baumheiligtum von Mamre nieder. Sein Haus war ein Zelt, aber der Fremde hat es nicht betreten - er wurde unter dem Baum bewirtet.
Und der Fremde war nur fuer Abraham fremd. Er erschien in seinem eigenen Heiligtum, den Eichen von Mamre. Als Abraham ihm die vorgesehenen Opfer darbrachte, mochte es wie die Bewirtung eines Gastes erscheinen, aber es war das vorgesehene Ritual, das der Fremde der heimischen Gottheit darbringt.
Das anonyme Opfer kann als Landkauf gesehen werden. Denn die Gottheit bedankt sich durch das Orakel. Die Fruchtbarkeitszusage an Sara ist persoenlich an die Eindringlinge adressiert und anerkennt sie somit. Die Aufnahme der neuen Bewohner wird spaeter weitergefuehrt im Orakel an Lot, dessen Gerechtigkeit in Konkurrenz zur heimischen Bevoelkerung einen Herrschaftswechsel bedeutet. Aber Abrahams Handel mit dem palaestinensischen Fruchtbarkeitsgott ist ein weiteres Eindringen in dessen heilige Sphaere. Es laesst sich auf die Gerichtsankuendigung ein, weitet aber den Adressatenkreis aus. So werden dem Orakelkult die neuen Bewohner eingeschrieben und von diesem legitimiert.
Wie kann nun Martha den Gast aufnehmen?
Obwohl ihre Familie seit Generationen in Betsaida residiert, ist Martha mit dem Haus (oikos) und der Oekonomie beschaeftigt. Die Bereitung von Haus und Mahl ist Herrschaftszeichen. Martha demonstriert, wer Herr im Haus ist. Als Buergerin in Stadt und Land hat sie ja kein Orakel mehr noetig, die juedische Buergerkirche hat durch Tora und Tempelkult die ausgesetzte Situation derer ueberwunden, die Tag fuer Tag warten mussten auf die Weisung Gottes, die sich bereithalten mussten mit dem Wanderstab in der Hand, und notfalls sogar im Stehen essen. Buerger wollen nicht warten, sondern bestimmen. Darum liegt in ihrem Interesse nicht das Anfangen, sondern das Fortsetzen des gewohnten und bewaehrten Ganges. Wir sehen sie weniger mit Hausgruendungen beschaeftigt als mit Haushalten. Auch in ihrem religioesen Leben hat das Unabsehbare ausgedient, und das Handliche und Machbare ist an seine Stelle getreten.
Jesus laesst diese religioes Sesshaften aber nicht zur Ruhe kommen. Seine Predigt ist: Ich aber sage euch..., seine Aufforderung ist: Folge mir nach. Mit Jesus ist Gottes Schoepfungshandeln in das religioese Leben zurueckgekommen,von wo es Adam und Eva vertrieben haben.
Messianisch glauben heisst nun: Gott anfangen lassen.

Samstag, 20. Juli 2013

Entdeckung in den Bergen

Ich habe heute eine historische Entdeckung gemacht. Waehrend alles in der spanischen Geschichte der Maurenherrschaft auf Kastilien und Aragon blickt, auf die Katalanen oder auf die Basken, und bei ihnen die entscheidenden Impulse sucht fuer das Ende der muslimischen Herrschaft in Europa, so wird ueberall jenes kleine und unscheinbare, aber nichtsdestoweniger ueberaus stoerrische und selbstbewusste Bergvolk der Kapileras uebersehen, das so nahe an Granada am Ruecken der Sierra Nevada das Jahrtausend der Mauren nahezu unbeschadet ueberdauerte. Selbst heute ist es nur nach Strapazen fuer aus der Ebene Kommende zu erreichen, und man muss schon achtgeben, diesen Schlag ueberhaupt zu bemerken, so nahtlos hat er sich in die Berglandschaft eingefuegt. Aber man kann sich ja selbst ein Bild machen.

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Man kann leicht sehen, wie sie nach anfaenglicher Scheu doch bald Vertrauen gewannen und zuerst in stolzer Ruestung, bald aber sogar im Familienkreis posierten. Schliesslich fand ich sogar ein verliebtes Paerchen, das, aneinandergeschmiegt, in die Kamera laechelte.

Freitag, 19. Juli 2013

Raum und Zeit

Viele Menschen werden es fuer selbstverstaendlich halten, dass an einem Ort nur ein Gegenstand sein kann zur selben Zeit. Vielleicht ist das im Zeitalter der Atomphysik nicht mehr so eindeutig. Aber in der Alhambra war es ganz deutlich zu merken: ein Gang, eine Nische, eine Perspektive gab den Blick frei nur fuer einen AUGENBLICK. Dann schob sich sofort der naechste Besucher davor. Nein! Der Augenblick war nicht garantiert. Mit dem Ticket zahlst du nur den Eintritt, nicht den Anblick. Und genau genommen: Die meisten Menschen haben gar keine Wahrnehmung davon, dass sie selbst Raum einnehmen, den ein anderer nicht mehr einnehmen kann, ebensowenig, wie sie daran denken, dass die Luft, die sie verbrauchen, fuer einen anderen nicht mehr da ist. Das gilt fuer Touristenscharen ebenso wie fuer Autoschlangen.
In anderer Form ist das eine alte historische Erfahrung Spaniens: Wenn du Moslem bist, kannst du nicht zugleich Christ sein, fuer Juden gilt das auch. Zumindest aus spaeterer Sicht konnte Spanien nur entweder muslimisch oder christlich sein - dann aber auch ganz. Dabei hat das Lavieren zwischen verschiedenen Verbuendeten die ganze Misere ueberhaupt erst moeglich gemacht - und dann noch ueber fast ein Jahrtausend gestreckt. Und wenn man die darauffolgende christliche Eindeutigkeit kennt, haette man wahrscheinlich die Mehrdeutigkeit vorgezogen.
Jedenfalls war das eindeutig mein erster Tag in Spanien, mitten in Granada

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Wenn Ihr Computer manche Bilder nicht angemessen wiedergibt, so ist allenfalls das Heimgeraet um 90 Grad zu kippen. (Bitte nicht den Bildschirm oeffnen!)

Freitag, 12. Juli 2013

Grenzreise 2. Teil

Schon im vorhinein habe ich den Eindruck, dass Spanien selbst bereits eine Grenze ist. Und zwar in der ganzen Tiefe. Aber ohne Sprachenkenntnisse sind dieser Erforschung Grenzen gesetzt. So werde ich mich auf historische Grenzmarkierungen beschränken und sodann die Grenze Europas PASSIEREN nach Marokko.
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