Mein Verbleib

Algeciras ist, bei aller touristischer Unscheinbarkeit, doch schon am meisten orientalisch von den besuchten spanischen Staedten. Das beste Restaurant der Stadt ist ein marokkanisches, das erst kurz vor Ende des Ramadan oeffnet. Die Muslime bekommen dort ein Schaelchen mit einem hartgekochten Ei hingestellt, einigen Datteln und Nuessen, sowie einem Glas Milch und einenm Glas Orangensaft. Davor sitzen sie dann stumm und schauen der Sonne beim Untergang zu.
Kopftuchtragende Frauen mit Kindern queren die Plaetze, Maenner in Pumphosen oder langen Umhaengen treten aus Haustoren und schlendern durch die Gassen, Afrikaner haeufen ihre Waren auf der steilen Nebenstrasse zum Markt auf, neben denen sie dann missmutig hocken, wissend, dass es nur Plunder ist, und sich einzig untereinander unterhalten.
Die Kirche wird immer wieder besucht, eine Frau erklaert mir das Bild von Josemaria Escriva, dem Opus Dei-Gruender, dessen Bild im Eingangsbereich haengt.
Viel zu spaet und zu lange sitze ich im Cafe in einer Nebengasse des Marktes und sehe Haendler ihre kleinen privaten Tische aufbauen. Zuerst sass dort ein Losverkaeufer. Ich erinnere mich, auch anderswo diese Art reiner Geldgeschaefte gesehen zu haben, die aber den Blinden zugute kommen, die sie auch verkaufen.
Jetzt schlurft eine kleine duenne Frau mit einem hoch beladenen Waegelchen heran, am Kopf ein Kopftuch und dicke Brillenglaeser. Sie klappt zwei Tischchen auseinander und breitet darauf zwei grosse Koerbe mit Petersilienstraeussen auf, daneben andere Kraeuter und verschiedene Flaeschchen. Kaum hat sie damit begonnen, bleiben bereits Kunden stehen und greifen nach den Kraeutern, waehrend sie, fuer Zuschauer fast unertraeglich, nach hinten gewandt immer noch in den Taschen und Saecken kramt und stoebert. In dieser angespannten Situation kommt nun der Besitzer des Geschaefts hinter ihr und schiebt ungeruehrt den Rollladen hoch, wodurch sich ihr Geschaeftsbereich auf einen knappen Meter verkleinert. Gegenueber steht schon lange ein Mann mit einem ueberdachten Doppeltisch und legt ein Buch um das andere auf, als waeren es alles Heiligtuemer. Jedes sieht er an und wendet es nach allen Seiten, bis er den richtigen Platz am Tisch findet. Er macht es unbeachtet fuer sich selber. Ich wuerde mit eigenen, gelesenen Buechern natuerlich genauso umgehen, falls ich mich entschliessen koennte, irgendetwas davon herzugeben.
Ich will es kurz machen und gestehe: Ich habe es versaeumt, gleich am Vormittag nach Ceuta weiterzureisen, verfuehrt durch das guenstige Quartier und das leicht zugaengliche Internet-Cafe, und habe erst jetzt mit Entsetzen bemerkt, dass bereits die Haelfte meiner Reisezeit vergangen ist und ich von Marokko noch nichts als einen Kuestenfelsen aus der Ferne gesehen habe, und einige Entkoemmlinge, die in der europaeischen Hafenstadt gelandet sind.

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