Freitag, 26. Juli 2013

Meine rechtzeitige Flucht

aus Cadiz war ein Segen. Hatte ich schon den Vormittag unter verhangenem Himmel im Kaffeehaus vertroedelt, so zogen mir die Preisvorstellungen nun auch der benachbarten Pension den letzten Nerv, und ich packte kurzerhand zusammen und nahm den Bus nach Algeciras, einer haesslichen Hafenstadt, die aber ganz nahe zu Gibraltar liegt, wo ja weitere Grenzstudien geplant sind. Und von da an gab mir alles recht. Ich stieg aus und fand mich schnurstraks zurecht, zog wie ein Angekuendigter in der Stadt und in der Pension ein. Ein verschmitzter Spanier, mit dem ich mich sofort verstand, auch sprachlich. Seine Putzfrau hatte er Fatima gerufen. Das Zimmerchen war klein, sparsam und sauber, so wie ich es liebe. Und nach kurzer Orientierung in der Stadt trat ich meinen geplanten Ausflug an. Der Bus fuehrte mich um die Bucht herum und naeherte sich dem markanten Felsen. Ich schritt auf dem breiten Boulevard aus und reihte mich in die allmaehlich anschwellende Menge ein. Zugleich erhoehte ich mein Tempo, denn ich wollte nicht zurueckfallen und ueberrollt werden. Den ein oder zwei Grenzern hielt ich laessig den ungeoeffneten Pass hin, ich wurde wie alle anderen durchgewunken. Dann kam die naechste Absonderlichkeit: die ungeduldig ruckelnde Schlange aus Autos, Motorraedern, Fahrraedern und Fussgaengern musste,vorbei an erhobenen Schranken, die riesige Asphaltebene des Flugfeldes ueberqueren. Und erst dann erreichte man die Stadt, eingebettet in eine unbegreifliche Geschaeftigkeit, die sich noch weiter steigerte, bis zu den britischen Einkaufsstrassen - die sich auf den ersten Blick von den spanischen vielleicht nur durch die vielen Spirituosengeschaefte unterschieden. Das war eine innereuropaeische Grenze. Hier galt der gibraltesische Pfund, zusammen mit dem britischen. Es gab ein eigenes Autokennzeichen. Knapp 30.000 Einwohner haben britische, spanische, italienische oder portugiesische Herkunft, 78% davon sind katholisch, 4% muslimisch, 2% juedisch. Man sieht sofort, dass an Gibraltar der afrikanische Massenexodus spurlos voruebergeht - dafuer ist die Bevoelkerung ueberaltert.
Bis dahin war ich einer von tausenden Touristen, vielleicht ein besonders ahnungsloser. Aber dann trat ich in die Kathedrale (was fuer ein Unterschied zu den spanischen!), St. Mary The Crowned, ein ganz normales Kirchlein, nichts Uebertriebenes darin, ein paar Statuen und Bilder, natuerlich auch da einige Mariendarstellungen - aber vorn nur ein Kreuz. So kam ich ins Gespraech mit dem vermeintlichen Mesner - und nun war ich ein anderer. Es war der Florist, der fuer eine Trauung den Blumenschmuck anbrachte, zugleich auch Pfarrgemeinderat, und knapp vor einer Wallfahrt nach Cork, Irland. In Lourdes und Medugorje war er schon gewesen, in Santiago de Compostela auch natuerlich, dem spanischen Heiligtum.

(Dieses selbst taugt eigentlich bereits als GRENZSYMBOL: das erst im 9. Jahrhundert entdeckte Apostelgrab war aus dem Heiligen Land hierher verlegt worden wegen dem Sarazenen-Ansturm im Osten, waehrend in Spanien die Mauren herrschten. Christliche Siege wurden nun dem Apostel zugeschrieben, eine Einigung christlicher Koenigreiche in Anwesenheit des Apostels leichter gelingen. Nach der Zurueckdraengung der Mauren bekam die Wallfahrt bald eine europaeische Perspektive der Einigung unter christlichem Banner.)

Als Priester und Grenzwaerter stieg ich heute auf den Felsen, besah die ganze Bucht beiderseits des Felsens, und den gegenueberliegenden Kontinent. Und als solcher kam ich zurueck, muede und sonnverbrannt, aber als Erfahrener.

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